Beim Aussortieren einer Bastelkiste fand ich ein letzthin ein „Gerät“, das seit über 50 Jahren nicht mehr in Verwendung war, nämlich einen kleinen Kopfhörer. Es handelt sich aber nicht um einen komfortablen Stereo-Kopfhörer wie man ihn heute kennt mit zwei gepolsterten Ohrhörern. Es ist ein Mono-Hörer in einem einfachen Kunststoffgehäuse.

Dieser Kopfhörer war Bestandteil des „Radiomanns“, den ich gegen Ende der 1960er Jahre geschenkt bekommen hatte. Der Radiomann war ein Experimentierbaukasten aus dem Kosmos-Verlag für technik-interessierte Jugendliche, die sich damit ein einfaches Radio selbst bauen konnten. Bei dieser Bastelarbeit handelte es sich quasi um die Urform des Radios, nämlich einen Detektorempfänger, wie er in den Anfangstagen des Rundfunks in den 1920er Jahren genutzt wurde. Verstärker für Radiosignale auf Basis von Elektronenröhren oder Transistoren wurden für den Rundfunkhörer erst später verfügbar. Um überhaupt Radiosignale aufzufangen und hörbar machen zu können bedurfte es damals eines langen Antennendrahts, der vom Haus zu einem Baum oder zum Nachbarhaus gespannt war. Der eigentliche Empfänger bestand aus wenigen Bauteilen: Einer Spule, einem Drehkondensator zur Abstimmung, einem Detektor (Halbleiterdiode) zur Demodulation der Radiosignale sowie einem empfindlichen Kopfhörer. Und ein solcher gehörte zum Radiomann-Bausatz und fand sich Jahrzehnte später noch in einer meiner Bastelkisten.
Mit solch einem einfachen Empfänger war es möglich, den lokalen Ortssender auf Mittelwelle zu hören. In meinem Fall war dies das erste Programm des Bayerischen Rundfunks, welches natürlich nur in Mono, mit einer rudimentären Tonqualität und in moderater Lautstärke aus dem Kopfhörer vernehmbar war. Einen Vorteil hatte der Detektorempfänger allerdings: Er funktionierte ohne Batterien oder Netzteil. Das Radiosignal lieferte die Energie zur Detektion und Wiedergabe am besonders empfindlichen (im Fachjargon „hochohmigen“) Kopfhörer quasi auch „over the air“ mit.
In der Anfangszeit des Rundfunks entstanden „Großsender“ in der unmittelbarer Nähe der großen Städte, um möglichst viele Hörer erreichen zu können. Zur Ausweitung der Rundfunkversorgung und Steigerung der Reichweite legten die Sender mit den Jahren insbesondere auch an Leistung zu. In den 1960ern, also zur Zeit meiner ersten Schritte im Radiobasteln, waren Sendeleistungen von 100 Kilowatt und mehr Stand der Technik. Mit neuen Sendearten und höheren Frequenzen (Stichworte FM, UKW, DAB) wanderten die Sendeantennen auf hohe Sendetürme und Berge. Am Ende wurden mit Einführung der neuen und besseren Übertragungsverfahren die leistungsstarken Mittelwellensender obsolet und abgeschaltet, nicht zuletzt auch wegen ihres hohen Energiebedarfs. Der letzte große Mittelwellensender in Deutschland, der das Programm des Deutschlandfunks ausstrahlte, wurde 2015 deaktiviert. Genauso endete auch in vielen unserer Nachbarländer der Rundfunk auf Mittelwelle. Seit dem Sendeschluß kommt am Detektorempfänger kein Programm mehr an. Der Radiomann hört nichts mehr.
